Die Baureihe 628
Die Entwicklung der Baureihe
1971 erteilte die DB-Hauptverwaltung dem Bundesbahn-Zentralamt München den Auftrag zur konzeptionellen Umsetzung eines modernen Leichttriebwagens, um mittelfristig die den betrieblichen Erfordernissen nicht mehr genügenden Uerdinger Schinenbusse ersetzen zu können. In Zusammenarbeit mit der Waggonfabrik Uerdingen AG und der Kieler Maschinenbau AG (MaK) entstand in zweijähriger Entwicklungszeit die neue Generation ein- und zweiteiliger Triebwagen der Baureihen 627.0 und 628.0. Die in zeitgemäßer Leichtbauweise ausgeführten Triebwagen, mit aus der Serienfertigung für Straßenfahrzeuge stammenden Dieselmotoren, wurden von Juni 1974 bis Februar 1975 in zwanzig Einheiten gebaut.
Neben dem bevorzugten Einsatz auf Nebenbahnen galt es bei der Entwicklung der Fahrzeuge auch die Belange einer uneingeschränkten Betriebstauglichkeit für den Hauptbahndienst zu berücksichtigen. Gegenüber dem Schienenbus hieß es eine höhere Höchstgeschwindigkeit, eine Verstärkung der Bremsanlage und eine nicht unerhebliche Steigerung des Reisekomforts umzusetzen. Es galt ein in allen Belangen wirtschaftlich ausgerichtetes Fahrzeugkonzept zu realisieren. Denn bei der Deutschen Bundesbahn herrschte trotz der Sparzwänge die Philosophie vor, bei der Sicherheit keine Abstriche zuzulassen: So musste es ein vollwertiges Schienenfahrzeug unter Berücksichtigung der internationalen UIC-Normen sein.
Konzeptionell wurde bei der Entwicklung der Triebwagen zweigleisig gefahren, es sollte ein Einteiler, Baureihe 627.0 und ein Zweiteiler, der Baureihe 628.0, realisiert werden. In ihren Grundstrukturen sind beide Triebfahrzeuge weitgehend identisch. Der Einzeltriebwagen der Baureihe 628.0 ist im Prinzip wie ein 627.0 aufgebaut – aber nur mit einem Führerstand. Die 628.0 bestehen vom Grundriss aus zwei gleichen, kurzgekuppelten Einheiten mit Übergangsmöglichkeit. Beim 628.0 sind die Triebdrehgestelle jeweils am Kurzkuppelende angeordnet. Beim 627.0 ist eines der beiden zweiachsigen Drehgestelle angetrieben (2’B’). Beide Varianten erhielten eine Scharfenberg-Kupplung. Der Wagenkasten des 627.0 ist nur geringfügig länger als der des 628.0.
Neben der bereits erwähnten Gewichtsersparnis der neuen WTR-69-Drehgestelle – das Triebdrehgestell wiegt 3875 kg und das Laufdrehgestell 3795 kg – mussten diese zudem besonders verschleiß- und wartungsarm sein. Zur Schonung des Gleisoberbaus sollten ein kräftearmer Lauf und eine schwingungstechnische Entkoppelung vom Wagenkasten zum Drehgestell bei gleichzeitig hoher zulässiger Fahrgeschwindigkeit selbstverständlich sein. Beide Baureihen wurden mit einer kombinierten Gummi- und Luftfederung ausgestattet. In die Fahrzeuge wurde eine Druckluftbremse für den Nebenbahneinsatz eingebaut und mit einer Magnetschienenbremse ausgestattet.
In der Ebene mußten die Dieselmotoren in der Lage sein, die Triebwagen auf eine Höchstgeschwindigkeit von 120 km/h zu beschleunigen. Zum Einbau gelangten, aus der Serienfertigung für Straßenfahrzeuge stammende Dieselmotoren. Dabei erfolgte lediglich eine Anpassung an die Erfordernisse der Unterflurmontage.
Prototypen- Umbau
Ende Februar 1980 war der 628 016 versuchsweise in einen antriebslosen Steuerwagen umgebaut worden. Bei dieser Maßnahme wurde der Ausbau von Motor und Getriebe sowie der Einbau neuer Drehgestelle vorgenommen. Der so entstandene Steuerwagen wurde mit dem 628 021 gekuppelt, der so eine stärkere Maschinenanlage erhielt. Mit der umgebauten Garnitur führte das BZA München im April 1980 neue Messfahrten zwischen München und Immenstadt durch. Daran anschließend baute man die Triebwagen 628 022 (gekuppelt mit dem Steuerwagen 628 017), 628 023 (gekuppelt mit Steuerwagen 628 006) und den 628 024 (gekuppelt mit dem Steuerwagen 628 007) um.
Als zu schwach erwies sich die einmotorige Variante des 628.0, auf besonders steilen Strecken, wie der Außerfernbahn Kempten-Reutte-Garmisch-Partenkirchen, deshalb kam sie dort nicht zum Einsatz. Zum 1. März 1991 wurden die Steuerwagen umgezeichnet und erhielten den Motorwagen angeglichenen Betriebsnummern (928 021 bis 024). Der Steuerwagen 928 021 wurde als einziger mit einem 1.-Klasse Abteil, anstelle des Gepäckraums versehen. Im Zuge der anstehenden Revision ab 1988, hatte es bei der DB Überlegungen über eine Nachrüstung der Fahrzeuge der Baureihe 628.0 mit 1. Klasse Abteilen gegeben.
Die Vorserienfahrzeuge der Baureihen 627.1 und 628.1
Fast genau sechs Jahre nach Einführung der Prototypen von 1974/75, stellte die Deutsche Bundesbahn zwischen November 1981 und Februar 1982 weitere acht ein- und zweiteilige Vorserientriebwagen in Dienst. Wegen ihrer modifizierten Ausführung erhielten sie die Baureihen-Bezeichnung 627.1 und 628.1. Im Wesentlichen basierten die neuen Fahrzeuge auf den Vorgängermodellen, es ergaben sich jedoch äußerlich augenfällige Unterschiede. Es entfielen die gesickten Seitenwände und die Schaufenberg-Kupplung. Diese wurde durch eine herkömmliche Zug- Und Stoßvorrichtung ersetzt. Zum Schutz der Triebfahrzeugführer bei Kollisionen, wurden die Führerstände mit einem Rammvorbau versehen, aus diesem Grund veränderte sich die Kopfform des Triebwagens.
Aufgrund der erfolgreichen Versuche mit vier umgebauten Garnituren der Baureihe 628.0 mit nur noch einer, dafür aber leistungsstärkeren Maschinenanlage wurden die zweiteiligen 628.1/928.1 serienmäßig mit nur einem Dieselmotor als Trieb- und Steuerwagen gebaut. Der 628.1/928.1 verfügte nur noch über eine Toilette. Bei beiden Baureihen wurden erstmals auch Merkmale einer behindertengerechten Ausführung berücksichtigt. Das Laufwerkkonzept der 627.0 und 628.0 erwies sich als weiterhin up to dat, so dass die drehzapfenlosen Torsionsrahmen-Drehgestelle sowie die Luftfederung mit kleinen Veränderungen, die in erster Linie die Herstellung und Wartung betrafen, übernommen werden konnten. Dadurch blieb das Gewicht nahezu unverändert. Auch die Höchstgeschwindigkeit blieb mit 120 km/h unverändert. Beide Baureihen erhielten größere Mehrzweckräume. Im 627.1 fanden weiterhin 64 Reisende einen Sitzplatz, hinzu kamen sechs Klappsitze im Mehrzweckraum. Der 628.1/928.1 verfügte über doppelt so viele Sitzplätze und zusätzlich 21 Klappsitze in den Mehrzweck- und Vorräumen.
Die Tauglichkeit für den Einmannbetrieb wurde weiterverfolgt und sowohl beim 627.1 wie auch beim 628.1/928.1 berücksichtigt. Als zusätzliche Neuerung ist jeweils am ersten Radsatz an den Kopfenden eine Spurkranz-Schmiereinrichtung hinzugekommen. Beim Farbdesign hatte sich ebenfalls nichts geändert, es blieb bei der Kombination Elfenbein und Ozeanblau. Im März 1983 attestierte das BZA Minden der Baureihe 628.1/928.1 die Serienreife, während diese beim einteiligen 627.1 nicht angestrebt wurde.
Eine Serienbeschaffung des 628.1 kam dennoch nicht zustande. Vielmehr wurde abermals an einem modifierten Triebzug gearbeitet, bis das BZA München im November 1984 schließlich das geänderte Triebwagenkonzept mit der Baureihen-Bezeichnung 628.1/928.2 für serienreif erklärte. Die neuen Triebwagen kamen geschlossen zum Bw Kempten, wo die Einsätze der modernen Triebwagenflotte eine deutliche Ausweitung erfuhren. Anfang 1987 kam dann die Auslieferung der insgesamt 150 Exemplare der Baureihe so richtig in Fahrt.
Die Serienfahrzeuge der Baureihe 628.2/928.2
Wenn auch die Grunddaten und viele Konstruktionsmerkmale vom 628.1/928.1 auf den 628.2/928.2 übergingen, sollten sich im Detail doch etliche Neuerungen ergeben. Beim Wagenkasten handelt es sich um eine selbsttragende und geschweißte Leichtbau-Konstruktion, bestehend aus Blechen und Walzprofilen. Beim 628.2 wurden die elektronischen Komponenten deutlich modifiziert. Die elektronische Steuerung und Regelung der Maschinenanlge erledigen nun Mikroprozessoren. Ein in die Bremsanlage integrierter Steuerungsrechner regelt den mikroprozessorgesteuerten Knorr-Gleitschutz, der beim Bremsen das Blockieren und Gleiten der Räder verhindert. Vom Führerstand aus lassen sich bis zu drei Einheiten des Typs 628.2/928.2 bedienen.
Für eine wesentliche Neuerung im Innenbereich sorgte nun ein 1.-Klasse-Abteil mit 10 Sitzplätzen. Gegenüber dem 628.1/928.1 reduzierte sich dadurch die Anzahl der Sitzplätze 2. Klasse auf 112. Die Länge des Triebwagens blieb nahezu unverändert. Beibehalten wurden die Mehrzweckräume mit Plätzen für Rollstuhlfahrer, Kinderwagen und Fahrräder, die sich beim 628.1/928.1 bestens bewährt hatten. Die Klappsitze blieben mit insgesamt 21 pro Triebzug unverändert. Die Gummiwülste an den Übergängen der Fahrzeughälften ersetzt man durch Wellenbalgübergänge.
Um den Triebwagen ein modernes und schnittiges Aussehen zu verleihen, wurde die Kopfform des 628.2/928.2 deutlich modifiziert. In die um 18 Grad geneigte Front integrierte man ein nun einteiliges Stirnfenster. Entsprechend dem am 10. Dezember 1986 der Öffentlichkeit vorgestellten Farbkonzept für Fahrzeuge des Regionalverkehr gelangten die Triebwagen in den Farben Lichtgrau und Mittürkis mit Begleitstreifen in Pastelltürkis zur Auslieferung.
Der modifizierte 628.4/928.4
Es zeigte sich schon bald, dass die 150 gebauten Exemplare der Baureihe 628.2/928.2 den Bedarf derartiger Fahrzeuge bei weitem nicht decken konnten. Ziemlich genau ein Jahr nachdem der letzte 628.2 in Dienst gegangen war, fiel im September 1990 der Startschuss für eine zweite, leicht modifizierte Serie von zunächst 63 Einheiten.
Diese Fahrzeuge wurden in einer überarbeiteten Version mit der Baureihen-Bezeichnung 628.4/928.4 beschafft. Eine wesentliche Änderung betraf den längeren Wagenkasten. Der Grund dafür lag in der deutlichen Verbreiterung des Einstieges am Kurzkuppelende durch den Einbau einer Doppel-Schwenkschiebetür. Die Einstiege hatten sich als zu schmal erwiesen, wodurch es beim Fahrgastwechsel zu Rückstaus kam, die bei knapp bemessenen Bahnhofsaufenthalten sogar Zugverspätungen zur Folge hatten.
Durch eine neue Lagerung von Motor und Getriebe sollte der Schallübertragung entgegengewirkt werden. Auch die Entdröhnung der Innenflächen wurde weiter verbessert. Um den Motorenlärm generell noch stärker aus dem Innenbereich fernzuhalten, gestaltete man den Fußbodenaufbau analog dem der Triebwage der Baureihe 610 dahingehend neu, dass dieser nun auch beim 628.4 schwimmend gelagert war.
Als wesentliches Manko hatte sich die schwache Motorisierung des 628.2/928.2 erwiesen, dem man durch den Einbau des Zwölfzylinder-Dieselmotor MTU 12 V 183 TD 12 mit Abgasturboaufladung und Ladeluftkühlung zu begegnen versuchte. Das Fassungsvermögen des Stahltanks wurde auf 1000 l Dieselkraftstoff erhöht. Eine zweite Kammer fasste zudem 250 l Heizöl. An den Stirnseiten wurde vor den Drehgestellen ein zusätzlicher Rammschutz angebracht. Wegen der Anfälligkeit gegen Steinschlag verzichtete man auf die Verglasung im unteren Bereich der Eingangstüren. Das Platzangebot wurde auf 146 Sitzplätze erhöht, davon 12 in der 1. Klasse. 22 weitere Sitze wurden als Klappsitze ausgeführt. Wiederum in Anlehnung an die Bau-reihe 610 wurden die Sitze des 628.4/928.4 komfortabler gestaltet. Die Stirnfenster sind nicht mehr in einem schwarzen Gummi-, sondern in einem Metallrahmen gefasst. Die elektronische Zugzielanzeige wurde der besseren Lesbarkeit halber auf positive Darstellung umgestellt (schwarze Schrift auf hellem Untergrund). Eine weiter Zugzielanzeige integrierte man in den Seitenwänden an den Kurzkuppelenden.
Trotz der zahlreichen Änderungen blieb beim Fahrzeigkonzept alles beim Alten. Das Farbschema des 628.2 wurde zunächst unverändert übernommen. Ab Mitte der neunziger Jahre erhielten die 628.2/928.2 und später dann auch die 628.4/928.4 im Zuge anstehender Hauptuntersuchungen sukzessive eine verkehrsrote Lackierung.
Einsätze und Bewährung
Der 628.2 sollte nur dort zum Einsatz gelangen, wo entsprechende Rahmenvereinbarungen zwischen der Deutschen Bundesbahn und den Bundesländern getroffen wurden. Wenn die Finanzen stimmten, stand seitens der DB letztlich auch einem Nebenbahn-Einsatz nichts im Wege. Von Anfang an dabei waren die Länder Schleswig-Holstein, Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg und Bayern. Die 150 bei der Schienenindustrie georderten Einheiten waren somit schon vor deren Auslieferung vertraglich fest vergeben.
Erstes Fahrzeug der zweiten Bauserie war der 628 401/ 928 401, der am 4. November 1992 bei Duewag in Krefeld-Uerdingen offiziell das Licht der Welt erblickte und der Fachwelt präsentiert wurde. Um möglichst “reinrassige” Bestände bei den Dienststellen zu gewährleisten, wurden die Bw Karlsruhe und Kempten entgegen den ursprünglichen Plänen nicht mit neuen Einheiten bedacht, sondern erhielten stattdessen zusätzliche, bei anderen Dienststellen abgezogene 628.2.
Als erste Dienststelle wurde das Bw Hof mit dem 628.4 berücksichtigt. Ab März 1993 bedienten die Triebwagen die Strecke Hof-Selb. Nach und nach hielt der 628.4 mehr oder weniger auf allen oberfränkischen Strecken Einzug, erreichte aber auch die Oberpfalz, wo die Zielorte Weiden, Schwandorf und Regensburg angefahren wurden. Danach konnte auch das Bw Hof seine letzten Schienenbusse der Baureihe 796 abstellen und und darüber hinaus die Baureihe 211 aus dem Reisezugverkehr nehmen.
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